Im April 1902 fing alles an…

Aus der Vereinschronik

Die Sportbewegung in Thurnau reicht bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts zurück, schon damals versammelten sich regelmäßig Bewohner des altfränkischen Marktfleckens, um unter Anleitung des Töpfermeisters Friedrich Pittroff Leibesübungen „zur Stärkung der körperlichen Kraft“ durchzuführen. Doch es dauerte bis April 1902, ehe mehrere „angesehene Bürger“ in einem gemeinsamen Aufruf in den „Oberfränkischen Nachrichten“ ankündigten, einen Turnverein ins Leben rufen zu wollen.

In der Gründungsversammlung, die am 4. Juni 1902 in der Gaststätte „Goldene Krone“, auch bekannt als Gaststätte Prechtel, stattfand, wurde der „Turnerbund Thurnau“ aus der Taufe gehoben. Zum ersten Vorsitzenden des neuen Sportvereins wurde der Redakteur Wilhelm Seyfferth gewählt. Ihm zur Seite standen der Malermeister Wilhelm Ernst als sein Stellvertreter sowie Konrad Böhner als Kassier und Schriftführer in Personalunion. Das Protokoll verzeichnet noch folgende Gründungsmitglieder: Georg Moser, Max Gebhardt, Karl Amschler, Konrad Lutz, Heinrich Glenk, Johann Linz, Hans Haberstumpf, Eberhard Herrmannsdörfer, Hans Friedmann, Friedrich Hunebald, Johann Deyerling, Adam Lauterbach, Friedrich Schwender, Georg Kolb, H. Prechtel, Wolfgang Pöhlmann, Max Adami, Johann Baumüller, Heinrich Lindner, Konrad Müller und H. Kloer. Der Turnerbund hatte folglich 24 Mitglieder – allesamt männlich. Noch im Gründungsjahr löste der Lehrer Fritz Müller Wilhelm Seyfferth als Vorsitzenden ab, und noch im Gründungsjahr beantragten die Sportler bei der Schützengesellschaft, ihnen den Turnplatz an der heutigen Kasendorfer Straße zu überlassen. Die Gemeinde stimmte dem Antrag zu, und die fleißigen Aktiven gingen daran, das Gelände auszubauen und die ersten Turngeräte anzuschaffen. Darunter waren ein Barren für 155 Reichsmark, eine Matte für 21 Reichsmark und zwei Hanteln, für die zusammen 18 Reichsmark berappt werden mussten. Die Kosten für die Geräte trugen je zur Hälfte die Aktiven und der Reichsgraf von Giech. Im Laufe der nächsten Monate entstand ein Geräteschuppen, der am 16. April 1904 fertiggestellt wurde.

1905 opferten die Turner noch einmal 118 Reichsmark und kauften sich ein Pferd. In dieser „goldenen Zeit“ vor dem Ersten Weltkrieg frönten die Thurnauer Sportler ausschließlich dem Geräteturnen, im Jahr 1908 führte Michael Held den Verein, zweiter Vorsitzender war Konrad Linz, als Schriftführer und Kassierer fungierte Hans Wiesel, den Posten eines Turnwartes bekleidete Heinrich Glenk. Noch im Jahr 1908 folgte Josef Waldhier als 1. Vorsitzender, er wurde am 21. Januar 1913 von August Sahmann abgelöst. Während des Ersten Weltkrieges, also von 1914 bis 1918 turnten nur noch die Jugendlichen, das Vereinsleben kam nahezu zum Erliegen. Nach dem Kriegsende übernahm zunächst im Dezember 1918 Heinrich Glenk die Führung des Turnvereins, schon ein Jahr später wurde er wiederum von August Sahmann abgelöst.

 

In den Protokollbüchern des Jahres 1921 taucht erstmals das Wort Leichtathletik auf. Die Aktiven erstellten auf ihrem Turnplatz Vorrichtungen für Weit- und Hochsprung. Zum sportlichen Angebot gehörten ferner Kugelstoßen und Wettläufe. Am 3. Juni 1922 feierten die Thurnauer Sportler ihr 20-jähriges Gründungsfest. Unter dem 31. Mai 1923 verzeichnet das Versammlungsprotokoll einen Zuschuss der Gemeinde über 25000 Reichsmark, zweckgebunden für die Jugendpflege. Dies war mitten in der Inflationszeit, und es ist in den Büchern nichts darüber vermerkt, ob für dieses Geld überhaupt irgendetwas angeschafft werden konnte. Carl Bayer führte den Turnverein von 1924 bis 1926, Konrad Morg, ein Lehrer, löste ihn ab. Der 12. September 1929 ist der Geburtstag des Fußballsports in Thurnau. An jenem Herbsttag führten die Sportler die ersten Gespräche, diese auflebende Sportart auch im Töpfer-Städtchen einzuführen. Natürlich war auf dem Turnplatz in den Jahren zuvor immer mal wieder „gepflockt“ worden, den Durchbruch brachte jedoch erst der 24. April 1930, als bei einer Versammlung der Fußballinteressierten ein gewisser Dr. Friedrich vom 1. FC Nürnberg über den Fußballsport referierte.

 

Der „Schorrmühler“ Hans Herold und der Aktive Karl Reif waren es schließlich, die dem Turnverein eine sogenannte Ballspielabteilung angliederten. Bis zum Jahr 1934 mussten sich die Fußballer damit begnügen, auf umliegenden grünen Wiesen zu spielen. Nicht selten kam es dabei vor, dass das Spiel abgebrochen und die mühsam erstellten Tore abgerissen werden mussten, weil der aufgebrachte Grundstücksbesitzer einschritt. In diesen Jahren reifte der Wunsch aller Geräteturner, Leichtathleten und Fußballer nach einer eigenen größeren Sportstätte. Das erste Projekt wurde am Tonberg, dem heutigen Wohngebiet Am Peuntgarten, geplant, kam jedoch nicht zur Durchführung. Erst durch das Zusammenwirken des Sportvereins mit dem örtlichen Verkehrs- und Verschönerungsverein und dem damaligen 1. Bürgermeister Adam Lauterbach sowie nicht zuletzt durch die unermüdliche Initiative von Hans Herold kam die Sportstätte an der Schorrmühle zustande. Am 9. Januar 1933 beschloss die Mitgliederversammlung, den Sportplatz am Aubach zu errichten. Geplante Kosten damals: 2500 Reichsmark. Die Gemeinde erwarb hierfür den Grund und Boden, die eigentliche Baumaßnahme finanzierte der Verein. In den Jahren 1934/35 nahmen Sportler aus Thurnau an Faustball-Spielrunden auf Kreisebene teil. Zur gleichen Zeit begann auch die „Ballspielabteilung“, am Punktspielbetrieb teilzunehmen. Innerhalb weniger Jahre brachte der Fußballfanatiker und Abteilungsleiter Hans Herold seine Fußballmannschaft zu hohem Ansehen in ganz Oberfranken und darüber hinaus. Schon in den dreißiger Jahren lockten Sportfeste auf dem neuen Fußballplatz Mannschaften aus nah und fern nach Thurnau.

 

Neuer Vereinsname

Seinen heute noch gültigen Namen Turn- und Sportverein 1902 Thurnau erhielt der einstige Turnerbund am 29. April 1937. Im November des gleichen Jahres wurde Arthur Voigt zum 1. Vorsitzenden gewählt. Die vorläufig letzte Generalversammlung führte der TSV am 11. März 1939, wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs durch, der den Sportbetrieb bis auf Jugendspiele völlig zum Erliegen brachte.

 

Neuaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ergriff wiederum Hans Herold die Initiative zum Wiederaufbau des Sportlebens in Thurnau. Am 11. Mai 1946 erfolgte die offizielle Neugründung des TSV, wobei Herold den Vorsitz übernahm. Im Herbst des gleichen Jahres begann der Verbandsspielbetrieb im Fußballkreis Bayreuth/Kulmbach – und der TSV Thurnau war mit dabei. Von 1947 bis 1952 erlebte der TSV unter dem Vorsitz von Fritz Pensel eine erste Blütezeit. Pensel schrieb dem Breitensport ganz hohe Bedeutung zu, und die Skala der Sportveranstaltungen reichte von Boxkämpfen über Wettbewerbe im Turnen, im Damen-Handball und Fußball bis hin zu Leichtathletikfesten. Dem Sportpionier Hans Herold wurde am 23. April 1949 die Würde des Ehrenvorsitzenden verliehen. Im Sommer 1952 feierte der TSV sein 50-jähriges Bestehen, ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm zeugte von der fruchtbaren Aufbauarbeit des gesamten Vorstandsteams.

 

Der frühere Aktive Simon Schwender setzte sich am 1. November 1952 an die Spitze des Sportvereins, drei Jahre später folgte Erich Hänseler, wiederum ein Jahr später Alfred Berger. Die frühen fünfziger Jahre waren zugleich der Beginn des Tischtennissports in Thurnau – auf den an anderer Stelle in dieser Chronik eingegangen wird. Großes Augenmerk legte ab 1958 Vorsitzender Paul Wohland auf die Förderung der Jugend, besonders der Fußballjugend. Er und seine Vorstandskollegen investierten viel Zeit und Arbeit in die Verbesserung der Sportanlage. Unter Paul Wohlands Führung entstanden eine überdachte Tribüne, erste Platzumrandungen, das Kassiererhäuschen samt Geräteraum, Dusch- und Umkleideräume in der Schorrmühle sowie eine Stehtribüne an der Schwimmbadseite des Spielfeldes. Mit ihrem Erfolgstrainer Willi Schoberth schafften die Fußballer in der Saison 1965/66 die Meisterschaft in der A-Klasse und den Aufstieg in die Bezirksliga, die man jedoch nach zwei Jahren wieder verlassen musste. Noch heute eilt der damaligen Meisterelf ein geradezu mystischer Ruf voraus.

 

Nach dem Rücktritt von Paul Wohland als Vorsitzender übernahm wiederum Simon Schwender das Steuer. In den späten sechziger und vor allem in den siebziger Jahren wurde ein geordneter Turnbetrieb aufgebaut. Die Namen Sinnig, Schilge oder Günther stehen für den neuen Aufschwung des Turnsports in Thurnau. Die Turnstunden mussten damals noch im „Haus der Jugend“ an der Kasendorfer Straße durchgeführt werden, erst 1974 konnte man in die neue Turnhalle an der Verbandsschule umziehen.

 

Neue Ära beginnt mit Horst Will

Am 24. April 1970 schenkten die Mitglieder Horst Will das Vertrauen als Vorsitzender, ein Amt, das er fast ein Vierteljahrhundert behalten sollte. Mit Will kam eine neue Blütezeit des TSV, die Mitgliederzahlen explodierten von gut 300 auf über 700. Ein Meilenstein in der TSV-Geschichte war der Bau des Sportheims, in den viele freiwillige Helfer in den Jahren 1971 und 1972 über 3000 Arbeitsstunden investierten. Es entstanden Dusch- und Umkleideräume, ein Jugendzimmer, ein Schiedsrichterraum und Toiletten. Die Gesamtkosten beliefen sich auf etwa 115000 Mark. Bei der Einweihung im Herbst 1973 wurde besonders Horst Will, Simon Schwender, Rudi Hofmann, Hans Unger, Walter Kneipp, Fritz Schreiber und Hans-Friedrich Hacker gedankt, die das Projekt vorbereitet und durchgeführt hatten. Mitten in die Bauphase fiel am 26. November 1971 auch der Eintrag des TSV in das Vereinsregister. Im Jubiläumsjahr 1977 hatte der TSV über 700 Mitglieder, davon 104 Jugendliche und 173 Kinder. Die Sportler gingen in fünf Abteilungen ihrem Sport nach. Neben Leichtathletik, Turnen und Wintersport waren auch Tischtennis und natürlich Fußball im Angebot. Neben einer Altliga jagten zwei Senioren-, zwei Jugend- und drei Schülermannschaften dem runden Leder nach. Ein gesellschaftlicher Höhepunkt für den ganzen Marktflecken Thurnau war Anfang Juni 1977 die große 75-Jahr-Feier des TSV Thurnau, die auf dem Sportgelände und in einem Festzelt hinter der Firma Höhn gefeiert wurde. Bis heute unvergessen sind die Auftritte der Seniorenturner in alter gestreifter Trainingskleidung, der Box-Frühschoppen oder der Bunte Abend mit den Hot Dogs, das Gau-Kinder-Turnfest oder der Tanz mit den „Mediums“.

 

Nur wenige Wochen nach dem Jubiläum traf den TSV ein schwerer Schlag mit dem Tod von Hans Renner, der die Geschicke des Vereins als Hauptkassier fast ein Vierteljahrhundert an vorderster Front mitgestaltet hatte und eine große Lücke hinterließ. Ihm zu Ehren stiftete Simon Schwender einen Hans-Renner-Gedächtnispokal, der ab 1979 alljährlich von Schülerteams aus der Umgebung ausgespielt wurde – ein Turnier, das zu einem festen Bestandteil im Veranstaltungskalender des TSV wurde.

 

Ende der 70er Jahre finden sich in den Protokollbüchern vier weitere interessante Eintragungen. So durchbrach der TSV Thurnau bei der Mitgliederzahl erstmals die Schallmauer von 700. Fritz Schreiber regte an, die Finanzverhältnisse durch Abhaltung eines Sommernachtsfests aufzubessern – ein Vorschlag, gemacht am 17. Januar 1979, der die Geburtsstunde des Seefests bedeutete. Mit Simon Schwender wurde am 31. März 1978 ein Mann zum Ehrenvorsitzenden ernannt, der in der Nachkriegszeit wie kein anderer den TSV geprägt hat (auf das Lebenswerk Schwenders, der im April 2002 nach langem, erfüllten Leben 88-jährig verstarb, blicken wir in dieser Chronik in einem eigenen Beitrag). Exakt fünf Monate später, am 30. August 1978, machte sich der Vereinsausschuss erstmals intensiv Gedanken, wie die Trainings- und Spielsituation verbessert werden könnte: Dabei ergab sich eindeutig die Notwendigkeit eines zweiten Spielfeldes. Klar wurde schnell, dass der Traum eines gemeinsamen Sportzentrums mit dem noch jungen Tennis-Club nicht verwirklicht werden konnte, da sich der TC Weiß-Blau entschloss, eine Anlage in Eigenregie oberhalb der „Schorrmühle“ zu errichten. Immer und immer wieder stand der Bau eines Ausweichspielfeldes in den folgenden Sitzungen und Versammlungen auf der Tagesordnung, wobei – wie der unvergessene Schriftführer Otto Linz in seinen Protokollen übermittelt – nicht selten zwar lebhaft, aber eben auch „sinnlos und brotlos und vollkommen überflüssig“ diskutiert wurde. So gab es Anfang 1980 eine längere Debatte darüber, ob nicht, um Heizungskosten zu sparen und folglich das Eigenkapital des Vereins zu mehren, die Ausschusssitzungen künftig in Gaststätten durchgeführt werden sollten. Bei der Hauptversammlung im März 1980 war man in Sachen Sportplatz-Neubau schon einige Schritte weiter, ohne jedoch den entscheidenden Durchbruch geschafft zu haben. Der Markt Thurnau erklärte sich zwar bereit, an der Tannfelder Straße einen 100 mal 70 Meter großen Bolzplatz anzulegen, doch die Planungen gestalteten schwierig. Einmal stand als Fertigstellungstermin sogar das Jahr 2000 im Raum, Vorsitzender Horst Will sprach in einer Ausschusssitzung im August von einem „sehr lästigen Thema“. Kaum waren bei der Gemeinde die Weichen für einen Bolzplatz gestellt, reifte im TSV-Vorstand der Entschluss, den „einfach unmöglichen“ Platzverhältnissen im alten Aubachstadion den Garaus zu machen.

 

Von „Kartoffelacker“ war die Rede – eine Bezeichnung, die – das werden ältere Sportkameraden bezeugen – noch ziemlich untertrieben war. Turbulent verlief die Jahreshauptversammlung im April 1982. Wir zitieren Otto Linz: „Bei der Sportplatzsanierung entwickelte sich dann ein wirres Durcheinander. Der Schriftführer sah sich nicht in der Lage, die ganzen Wortmeldungen zu Papier zu bringen, da man manchmal sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Nachdem sich nunmehr turbulente Szenen im Versammlungsraum abspielten, stoppte der Vorsitzende die Diskussion.“ Doch an jenem Abend gelang es doch noch, die Sanierung des Sportplatzes auf den Weg zu bringen. Der erste Kostenvoranschlag lag bei rund 300.000 Mark. Nähere Details sollten bei einer außerordentlichen Hauptversammlung geklärt werden. Bis dahin ergaben sich in den Ausschuss-Sitzungen „noch einige heftige Rededuelle, die nicht immer von Sachlichkeit geprägt waren“. Beschlossen wurde die Sanierung schließlich in der Hauptversammlung am 8. April 1983, noch im gleichen Jahr wurden die entsprechenden Zuschussanträge gestellt.

 

Schnee, Schi und Showeinlagen

Ein Teil der Sportlerfamilie kam ebenfalls 1983 ins Fernsehen. In der BR-Sportsendung „Blickpunkt Sport“ war Thurnau für die Reihe „Wir kommen nach“ ausgelost worden. Ganz Thurnau saß damals vor dem Fernsehgerät und freute sich über einen gelungenen Beitrag. Ach ja, da war doch noch etwas 1983. Richtig, der neue Bolzplatz der Gemeinde an der Tannfelder Straße wurde offiziell eingeweiht, ein Rasenspielfeld, das technisch guten Fußball zuließ und die Trainingsbedingungen entscheidend verbesserte. Die Abteilung Wintersport erlebte in den achtziger Jahren ihre Blütezeit. Gemeinsam mit dem Tennisclub wurde ein Loipenspurgerät angeschafft. Bei der Skigymnastik konnte man sich auf die Ausflüge vorbereiten, die der TSV beispielsweise ins Arbergebiet anbot. Da es damals einige schneereiche Winter gab, konnten auch mehrere Staffelläufe „Rund um den Deutschlandfunkturm“ durchgeführt werden, Start und Ziel war jeweils auf dem Sportplatz. Auch die Faschingsfreunde blicken etwas wehmütig in die 80er Jahre zurück. Damals gab es an jedem Wochenende in der närrischen Zeit einen, wenn nicht sogar zwei Faschingsbälle. Der TSV bot seinen Mitgliedern einen Sportler- und einen Turnerfasching an – und beide Male war der Saal brechend voll. Tja, das waren noch Zeiten. Doch zurück zur Sportplatzsanierung, deren Finanzierung das Hauptproblem war. Zuschüsse, Eigenleistung und Rücklagen mussten her, um die finanzielle Belastung in Grenzen zu halten. Am 10. Oktober 1984 wurde im Ausschuss der Vorschlag von Fritz Schreiber aufgegriffen, ein Seefest zugunsten der Sportplatzsanierung durchzuführen. Einstimmig gab das Gremium grünes Licht. Da die Sparkasse Kulmbach 1985 in Thurnau ihr 150-jähriges Bestehen feierte, musste man mit der Premiere des Seefest noch bis 1986 warten. Dafür kam im Jahr 1985 der positive Zuschussbescheid für den Sportplatzbau. Nicht nur der BLSV gewährte Gelder, auch der Landkreis und die Gemeinde beteiligten sich an dem Projekt. Und ganz Thurnau half am 6. Juni mit, die Eigenmittel zu mehren – Simon Schwender hatte zur Einweihung seines Simonsbrunnens im Neubaugebiet Peuntgarten eingeladen, der Erlös kam – natürlich – seinem TSV zugute.

 

Dass der TSV Thurnau nicht nur auf sportlichem Gebiet, sondern auch auf gesellschaftlichem Sektor viel für die Gemeinschaft tut, ist kein Geheimnis. Vieles, was vom TSV initiiert wurde, wird heute leider als selbstverständlich hingenommen. Neben der schon erwähnten Faschingsveranstaltungen, Ausflüge oder der Festivitäten darf bei der Aufzählung das Schafkopfturnier alljährlich am Dreikönigstag nicht fehlen, das 1986 von nicht weniger als 132 Kartern besucht wurde und eine gute Einnahmequelle war. Heute ist man schon froh, die Hälfte Schafkopfer anlocken und die Unkosten decken zu können. Aber eben weil es eine schöne Tradition ist, wird der TSV das Schafkopfrennen auch in Zukunft durchführen, selbst wenn nichts Zählbares dabei übrig bleibt. Nicht nur Profitdenken, auch Tradition und Geselligkeit – dafür steht der TSV Thurnau.

 

Training auf der „Buckelpiste“

Am 10. Juni 1986 begannen die Arbeiten im Aubachstadion, die Bagger rückten an und schoben die Erdmassen kreuz und quer über das Gelände. Keiner konnte sich vorstellen, dass auf diesem Untergrund jemals wieder würde Fußball gespielt werden können. Als Ausweich-Trainingsplatz „pachtete“ der TSV eine Wiese hinter dem Gelände der Firma Höhn, wo sogar eine Flutlichtanlage installiert wurde. Das Training auf dem buckeligen Platz war stets ein großes Abenteuer und forderte Trainern wie Spielern einiges ab. Das erste Seefest wurde zu einem vollen Erfolg und erbrachte den stolzen Überschuss von 11000 Mark, was der Vorstand mit großer Freude und Genugtuung aufnahm. Weniger Freude herrschte einige Monate später, genauer am 21. September 1986, als die Maschinen der Firma Eirich auf der Baustelle Aubachstadion im Erdreich versumpften. Rund 36 Tonnen Kalk mussten anschließend eingefräst werden, um die Oberschicht tragfähiger zu machen. Das blieb allerdings nicht die letzte „Panne“ beim Projekt Sportplatzbau. Im Dezember des gleichen Jahres folgte der nächste Schock: durch eine plötzlich einsetzende Schneeschmelze trat der Aubach über seine Ufer und überflutete das fertig planierte neue Hauptspielfeld – es war zum Weinen. Und als ob es nicht schon genug gewesen wäre, sorgte ein erneutes Hochwasser im Juli 1987 für eine Verteuerung der Maßnahme um 5.000 Mark.

 

Am Ende standen Gesamtkosten von 357.000 Mark zu Buche, 297.000 Mark davon wurden als förderfähig anerkannt. In 2.800 Stunden brachten Mitglieder des TSV eine Eigenleistung von rund 50.000 Mark, weitere 18.000 Mark kamen durch Spenden zustande. Im Januar 1989 stieg die Mitgliederzahl erstmals über 900 an. Im gleichen Jahr beteiligte sich der TSV mit einem Open-Air-Festival mit dem Radspitz Express an den Jubiläumsfeiern des Marktes Thurnau (18. Juni), nahm am Historischen Marktfest teil (24./25. Juni), und weihte offiziell sein Aubachstadion ein, das mittlerweile auf Initiative von Hans und Simon Schwender eine Bande zierte, die Gerd Sell Stück für Stück mit Firmenwerbung füllte (10. September). Bei der Hauptversammlung im gleichen Jahr wurde bekannt gegeben, dass künftig in Thurnau ein regelmäßiges Volleyballtraining das sportliche Angebot bereichern werde. Am 23. September 1989 fiel in der Hirtengasse unter Federführung des TSV der Startschuss für einen Jubiläums-Volkslauf, der gut angenommen wurde, in den Folgejahren jedoch keine Wiederholung fand.

 

Im März 1990, kurz nach der Öffnung der innerdeutschen Grenzen, nahm die Schüler-Fußballabteilung des TSV Kontakte zum sächsischen Sportclub Mittweida auf, Ende Mai besuchte eine Abordnung aus der DDR Thurnau, im Juni folgte der Gegenbesuch in Sachsen, der für die jungen Fußballer zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde. Der Beschluss für die Gründung einer Volleyballabteilung fiel am 8. Juli 1990. Im gleichen Monat wurden erste Gespräche geführt, das Sportheim zu erweitern, wobei in den Folgejahren immer wieder auch an eine Aufstockung gedacht wurde, die jedoch aus Kostengründen letztendlich verworfen wurde. Im Januar 1991 entschloss sich der Vereinsvorstand mit elf zu sechs Stimmen, den TSV-Fasching wegen des Ausbruchs des Golfkriegs abzusagen. Mit der Durchführung des Seefests wurden erstmals die Sportkameraden Otto Hofmann, Karl-Heinz Wiesel und Reinhard Wich betraut, die die Aufbauarbeit von Fritz Schreiber erfolgreich fortsetzten. In der Saison 1991/92 konnten die Thurnauer erstmals eine Dauerkarte für alle Fußballspiele der ersten Mannschaft erwerben. Über 40 Karten fanden reißenden Absatz. Dem „Kulmbacher Anzeiger“ war das damals sogar eine Titelstory wert: „TSV Thurnau verkauft mehr Dauerkarten als Bundesligist Wattenscheid 09“.

 

Und noch einmal sorgte der TSV im Jahr 1991 für Gesprächsstoff: als erster Sportverein im Landkreis Kulmbach gründeten die Fußballer eine F-Jugendmannschaft, der Zulauf kannte keine Grenzen. Am 16. Januar 1992 berichtete Vorsitzender Horst Will dem Ausschuss voller Stolz, dass der TSV 02 erstmals in der Vereinsgeschichte die Schallmauer von 1000 Mitgliedern durchbrochen habe. Zwei Monate später wurde Gerhard Puppe zum ersten Leiter einer TSV-Volleyballabteilung berufen. Eine weitere Neuerung führte Fußballabteilungsleiter Dietmar Hofmann zur Saison 1992/93 ein. Als einer der ersten Vereine überhaupt gab der TSV ab sofort zu jedem Heimspiel eine Stadionzeitung heraus. Der „Volltreffer“ ist über Anzeigen finanziert und stellt bis heute eine der Haupteinnahmequellen der Fußballer dar. In den folgenden Jahren entwickelte sich der TSV weiter zu einem modernen Sportverein mit einem vielseitigen sportlichen Angebot, das ständig erweitert oder mit neuen Ideen aufgefrischt wurde. Ein zartes Pflänzchen ist beispielsweise die Karateabteilung, bei den ersten Trainingsstunden war der Andrang riesig. Im Jahr 1994 endete beim TSV eine Ära: Horst Will trat nach 24-jähriger Amtszeit als Vorsitzender zurück, blieb der Vereinsführung jedoch als Schriftführer erhalten. Das Ruder übernahm Roland Härtel, der im April 1998 die Ehre hatte, seinen Vorgänger zum Ehrenmitglied zu ernennen. Neuer Höhenflug der Fußballer Ab Mitte der neunziger Jahre begann der Höhenflug der Fußballer, die mit ihrem Trainer Detlef Zenk zweimal – 1995 in der B-Klasse und 1998 in der A-Klasse – die Meisterschaft an Land zogen und seither in der Bezirksliga dem runden Leder nachjagen. Im Aubachstadion gingen in den vergangenen Jahren die Erneuerungsarbeiten unvermindert weiter. Es entstanden eine Sprecherkabine mit Lautsprecheranlage, ein Spielplatz, der dank der großen Unterstützung der Familie Engert/Wiesenmüller verwirklicht werden konnte, ein Parkplatz im Bereich des Trafohäuschens, eine neue Zufahrt zum Freibad und eine Überdachung der Gegengerade. Maßgeblichen Anteil an allen Errungenschaften hatte Hans Schwender, der den TSV mit immer neuen Ideen verblüffte, Helfer und Sponsoren in seine ehrgeizigen Projekte einband und mit dem Um- und Ausbau des Sportheims in den Jahren 1999/2000 sein Werk krönte. Aus einer Bruchbude wurde ein Schmuckkästchen.

 

Es entstanden neue und größere Umkleide- und Duschräume, ein Schiedsrichterraum mit WC, moderne sanitäre Anlagen und eine Küche. Über 10.000 Stunden ihrer Freizeit opferten Freunde des TSV, um das Projekt zu vollenden, das Gesamtinvestitionsvolumen betrug 600.000 Mark. Und damit nicht genug: mit Akribie ging der TSV daran, zwischen Schule und Bolzplatz einen Hartplatz anzulegen, der heuer als Festgelände, später einmal als Trainingsfläche dienen soll. Über 3.000 Tonnen Schotter wurden benötigt, um den Untergrund standfest zu ma-chen. Im Herbst 2001 würdigte die Kulmbacher Brauerei das Bemühen des TSV, bei der Sanierung des Sportheims auch an den Umweltschutz gedacht zu haben. Vorsitzender Roland Härtel und Fußball-Abteilungsleiter Dietmar Hofmann („Man kann Wasser trinken, kann es aber auch lassen“) konnten bei einem Festakt im Wasserschloss Mitwitz im Beisein von Landrat Klaus Peter Söllner den Umweltpreis der Kulmbacher Brauerei in Empfang nehmen. Die Jury würdigte, dass der TSV eine Regenwasser-Nutzungsanlage eingebaut und Wasserspar-Armaturen installiert hatte. Innerhalb eines Jahres sparte der Verein dadurch 680.000 Liter kostbaren Trinkwassers. Der Lohn war der 2. Platz in der Kategorie „Bildung von Umweltbewusstsein“.

 

Skisprungstar auf Abwegen

Apropos Kulmbacher Brauerei: seit dem Jahr 2000 sponsert die Brauerei den Champions-Cup, den der TSV Thurnau in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Fußballverband jährlich im Sommer für alle Meister und Aufsteiger im Fußballkreis Bayreuth/Kulmbach durchführt. Stargast bei der ersten Austragung war das frühere Skisprungass Jens Weisflog, der an einem Prominenten-Elfmeterschießen in der Halbzeitpause des Finales teilnahm. Im Jubiläumsjahr 2002 präsentiert sich der TSV 1902 Thurnau als moderner Verein mit eigenem Internetauftritt (www.tsv1902thurnau.de) und einem vielfältigen Angebot im sportlichen wie gesellschaftlichen Bereich. Mit nahezu 1000 Mitgliedern, einer jungen Führungsmannschaft, vielen Ideen und lebendigen Abteilungen ist der TSV Thurnau für die Zukunft bestens gerüstet. Beim TSV macht es Spaß, Sport zu treiben. Überzeugen Sie sich doch selbst einmal davon…